Als Doppelveranstaltung fanden die Europa-Meisterschaften 2023 im Rahmen des 6. BMW IBSF Weltcups statt und wurden als sogenanntes „race-in- race“ gewertet.

Kim Kalicki im vorderen Mittelfeld

15 Pilotinnen standen bei knackiger Kälte und starkem Nebel im Monobob Rennen am Start, darunter die Deutschen Kim Kalicki (TuS Eintracht Wiesbaden), Laura Nolte (BSC Winterberg) und Lisa Buckwitz (BRC Thüringen).
Im Prinzip war der Wettkampf bereits nach dem ersten Durchgang entschieden, denn an der Spitze ergaben sich bereits erhebliche Zeitdifferenzen. So lag Nolte wegen einer holprigen Fuhre als Zweite bereits 46/100 Sekunden hinter Kaillie Humphries (USA), Breeana Walker (Australien) weitere 13/100 und die Viertplatzierte nochmals 17/100 zurück. Überschattet wurde der erste Lauf vom Sturz der lange führenden Buckwitz, die gottlob unverletzt blieb, aber zum zweiten Lauf nicht mehr antrat.
Abgesehen davon, dass sich die Kanadierin Cynthia Appiah mit einer furiosen Fahrt vom 9. auf den 5. Platz verbesserte, erfolgten an der Spitze keine Veränderungen. So ergab sich bei der Siegerehrung eine ganz außergewöhnliche Konstellation, denn unter den ersten Sechs befanden sich Teilnehmerinnen von 4 Kontinenten. Mit zwei Mal Laufbestzeit behielt Humphries vor Nolte und Walker die Nase vorn, Vierte wurde die Chinesin Qing Ying vor Appiah und als sechste platzierte sich Andreea Grecu (Rumänien).
Foto Viesturs Lacis: Breeana Walker obere Reihe rechts
Kalicki scheint ihren kurzen Höhenflug im Monobob beendet zu haben und findet sich nach zwei sehr fehlerhaften Läufen im Mittelfeld wieder. Bei der Verbesserung ihres Ergebnisses von Rang 8 auf 7 profitierte sie von einer verkorksten Fahrt ihrer Schweizer Konkurrentin Melanie Hasler und einem Sturz der Kanadierin Bianca Ribi, die beide nach dem ersten Lauf vor ihr gelegen hatte.
„Breeana entwickelt sich mehr und mehr zu einer Wundertüte“ staunte Landestrainer Tim Restle, der Walker am Frankfurter Stützpunkt betreut,“ sie ist in der Form ihres Lebens und fährt ihre wohl beste Saison. Vor allem im Monobob agiert sie bärenstark und hat Anschluss an die Weltspitze gefunden. Die Leistung von Kim war ein Rückfall in eigentlich vergangen geglaubte Zeiten, aber zu Bronze bei der EM kann ihr man natürlich herzlich gratulieren. “


EM-Bronze für Kalicki

Ein völlig anderes Bild ergab sich dann bei der Ermittlung der Europa-Meisterin. Trotz einer eher durchwachsenen Leistung durfte Nolte über EM-Gold jubeln. Angesichts der schwierigen Wetter- und Bahnbedingungen war sie letztendlich zufrieden, zumal sie im zweiten Lauf dicht an Humphries dran war. Überglücklich über ihr sehr überraschendes EM-Silber war die Rumänin Grecu. Unzufrieden mit ihrer Leistung, aber hoch erfreut über EM-Bronze äußerte sich Kalicki, der Rang 7 im Weltcup-Rennen für diesen Podestplatz reichte. Schließlich hätte sie sich zum Saisonbeginn nicht träumen lassen, im Monobob bei der Europa-Meisterschaft so erfolgreich zu sein.

Foto Viesturs Lacis: Kim Kalicki obere Reihe rechts


Wieder Platz 5 für Hafer

Stark besetzt mit 19 Schlitten aus 12 Nationen war das Weltcup-Rennen bei den Männern. Der Wettbewerb im Altenberger Eiskanal verlief spannender als bei den Damen, denn nach dem ersten Lauf lagen die besten Fünf ganz knapp beieinander. Trotz seitheriger guter Leistungen in dieser Saison lagen etwas überraschend die Schweizer Michael Vogt/Sandro Michel an der Spitze, dicht gefolgt von Francesco Friedrich (BSC Sachsen Oberbärenburg) / Alexander Schüller (SV Halle) und Johannes Lochner (BC Stuttgart Solitude) /Erec Bruckert (BRC Thüringen). Christoph Hafer (Eintracht Frankfurt/BC Bad Feilnbach) /Tobias Schneider (BC Bad Feilnbach) reihten sich hinter den Briten Brad Hall/Taylor Lawrence noch aussichtsreich auf Rang 5 ein.
Bei starkem Schneefall mussten die Piloten in der zweiten Abfahrt all ihre Fahrkünste aufbieten, um sicher durch das Kurvenlabyrinth zu kommen. Hafer schaffte es trotz einer couragierten Leistung nicht mehr an den Briten vorbeizukommen. Besser machte es dann Lochner, der sich trotz einer leichten Startbandenberührung mit Laufbestzeit an die Spitze katapultierte. Da Friedrich in der langen Geraden einige Probleme hatte geriet er entscheidend ins Hintertreffen und wurde am Ende Dritter. Auch die Schweizer konnten die die Zeit von Lochner nicht knacken und fielen auf den Silber-Platz zurück.
Gleiche Reihenfolge bei Europa-Meisterschaft
Da sich anders als bei den Damen keine Nicht-Europäer unter die ersten 5 „geschmuggelt“ hatten entsprach dieses Endergebnis auch der Platzierung bei der Europa-Meisterschaft.


Foto Viesturs Lacis: Hafer/Schneider untere Reihe Bildmitte


Knappe Entscheidung Im Zweierbob der Damen

Da Lisa Buckwitz aus gesundheitlichen Gründen nicht starten konnte waren mit Kim Kalicki (TuS Eintracht Wiesbaden) /Anabel Galander (Mitteldeutscher SC Magdeburg) und Laura Nolte (BSC Winterberg) /Neele Schuten (TV Gladbeck) nur 2 deutsche Schlitten im Teilnehmerfeld vertreten, das insgesamt 13 Teams umfasste.
Im ersten Lauf lieferten Kalicki/Galander nach Startbestzeit eine abenteuerliche Abfahrt mit heftigen Wacklern (Kalicki: „Ich hatte Eis auf dem Visier und konnte manche Kurveneinfahrt kaum sehen“), schafften es dennoch auf Rang 3. Besser machten es Nolte/Schuten, die sich mit gleicher Startzeit 7/100 Sekunden davor auf Platz 2 positionierten. Unangefochten und fast erwartungsgemäß hatte Kaillie Humphries (USA) mit Anschieberin Kaisha Love mit klarem Vorsprung die Spitze übernommen.
Im entscheidenden zweiten Lauf wurden Kalicki/Galander nach eher schwachem Start von den Schweizerinnen Melanie Hasler/Nadja Pasternack überflügelt und fielen auf Rang 4 zurück. Um den Sieg lieferten sich Nolte/Schuten mit einer tollen Aufholjagd und Humphries/Love ein Wimpernschlag-Finale, bei dem die Amerikanerinnen hauchdünn mit 2/100 Sekunden das bessere Ende für sich hatten.
Landestrainer Tim Restle ist sich sicher, dass sich Kalicki über ihre heutige Leistung ärgern wird. Das Ergebnis sei ja ganz Ordnung, aber die fahrerische Leistung eigentlich indiskutabel.


Zweites EM-Bronze für Kalicki

Nolte konnte sich mit diesem Ergebnis auf der ungeliebten Bahn in Altenberg über einen weiteren Europa-Meister-Titel, dieses Mal im Zweier mit Schuten, freuen. Und wie schon im Monobob fand sich Kalicki auf dem Treppchen wieder und wurde mit ihrer Anschieberin Galander mit der Bronze-Medaille dekoriert. Silber feierte das Schweizer Dou Hasler/Pasternack.

 



Foto Viesturs Lacis: Anabel Galander links, Kim Kalicki rechts



Team Hafer im großen Schlitten auf Platz 6

Auch das Vierer-Rennen stand wegen Nebel und zeitweise starkem Schneefall für die 16 Teams unter keinem guten Stern. Als erste Deutsche startete Lochner mit seinen Anschiebern Erec Bruckert, Florian Bauer (BRC Ohlstadt) sowie Christian Rasp (WSV Königssee) und ordneten sich vorerst hinter dem erneut sehr starken britischen Quartett um Brad Hall ein, der sich mehr und mehr zu einem sehr ernst zu nehmenden Konkurrenten mausert. Francesco Friedrich fuhr danach mit Thorsten Margis (SV Halle), Candy Bauer (BSC Sachsen Oberbärenburg) und Felix Straub (SC DHfK Leipzig) 8/100 Sekunden schneller und belegte nach dem ersten Lauf hauchdünn nach Hall den zweiten Platz. Vor Lochner schoben sich noch die Schweizer um Pilot Michael Vogt. Christoph Hafer kam mit Tobias Schneider, Michael Salzer (BC Stuttgart Solitude) und Kevin Korona (Mitteldeutscher SC Magdeburg) auch am lettischen Team von Emils Cipulis nicht vorbei und musste sich, zeitgleich mit dem österreichischen Vierer von Markus Treichl, mit Rang 6 begnügen.
Obwohl alle drei deutschen Teams Chancen auf einen Platz auf dem Siegerpodest hatten, schaffte es nur Friedrichs Team mit einem starken zweiten Lauf zu Silber. Die Briten mussten zwei Mal Bestzeit fahren, um am Ende mit 9/100 Sekunden Vorsprung über Gold jubeln zu können. Für Lochners Mannschaft blieb hinter den Schweizern nur der undankbare 4. Platz. Hafer behielt seinen 6. Platz, wobei er von den Österreichern um 4/100 Sekunden abgehängt wurde, überflügelte jedoch die Letten, die in der zweiten Anfahrt etwas schwächelten.

Identisches Treppchen bei Europa-Meisterschaft

Da auch im Viererbob die Nicht-europäischen Teilnehmer unter ferne liefen ins Ziel kamen errangen die Briten den Meistertitel. Als einziges Team aus Deutschland konnte sich die Mannschaft von Friedrich über Silber freuen während die Schweizer mit Rang 3 sehr zufrieden waren.



Foto Viesturs Lacis: Team Hafer vorne rechts

HBSV Präsidentin Erica Fischbach resümierte, dass die deutsche Dominanz trotz des guten Abschneidens einige Risse bekommen habe. Vor allem bei den Männern erwachse in Hall und Vogt Konkurrenz, die man mit Blick auf die Weltmeisterschaften in St. Moritz sehr ernst nehmen müsse und Humphries sei bei den Damen sowieso eine harte Nuss. Alle haben einiges an Hausaufgaben zu erledigen, aber sie sei nach wie vor sehr optimistisch und erwarte sehr gute Leistungen der deutschen Sportler und Sportlerinnen. Und ein bisschen Glück gehöre eh dazu, um ganz vorne „mitspielen“ zu können

Klaus-Dieter Neumann